E-Werk Tegernsee unterstützt Wasserrad-Projekt der TU München in Nepal
Seit einigen Monaten testet die Technische Universität München (TUM), unterstützt vom E-Werk Tegernsee, in Bad Wiessee am Söllbach ein neuartiges Wasserrad zur Stromerzeugung. Beim Probebetrieb in den bayerischen Bergen sollte das Kleinstwasserkraftwerk beweisen, dass es robust und kostengünstig genug ist, um auch im fernen Himalaya zu bestehen. Nun ist erwiesen: Alles passt. Das Konstruktionsprinzip des „bayerischen“ Wasserrads kommt in Nepal zum Einsatz.
-
Motivation – Herausforderung
Aktuell leben 50 % der Bevölkerung in Nepal ohne Stromanschluss. Die andere Hälfte ist mit Stromausfällen bis zu 16 Stunden pro Tag konfrontiert. Ziel des Projektes von Stephan Baur von der Technische Universität München (TUM): Abgelegene Regionen in Nepal mit Strom versorgen. Für eine flächendeckende Umsetzbarkeit und Nachhaltigkeit seines Projektes ist eine einfache, kostengünstige und robuste Technik gefragt, die zugleich wartungsarm und vor Ort unter den gegebenen Rahmenbedingungen realisierbar ist: Eine simple Low-Tech Lösung anstatt einer technisch perfekten High-Tech Lösung.
-
Prototyp – Technik
Klassische Wasserräder eignen sich hervorragend für die Nutzung geringer Fallhöhen von 1 bis 2 Metern. Bei dieser Pilotanlage der TUM in Zusammenarbeit mit dem E-Werk Tegernsee am Söllbach handelt es sich um ein oberschlächtiges Wasserrad (Wasserzulauf von oben) mit 24 Schaufeln, einer Breite von 70 cm und einem Durchmesser von 120 cm.
Bei der vorhandenen Wassermenge von 90 Liter pro Sekunde wird eine mechanische Leistung von etwa 600 Watt (pro h?/s?) erzielt. Der Einsatz eines Getriebes ist notwendig, um die 20 Umdrehungen pro Minute des Wasserrades auf etwa 1000 Umdrehungen für den Generator zur Stromerzeugung zu erhöhen. Die Kraft des Rades wird über zwei Keilriemen aus dem KFZ-Bereich auf das Getriebe übertragen. Als Generator kommt ein sehr günstiger und äußerst robuster Asynchronmotor zum Einsatz, der weltweit verfügbar ist. Dieser erzeugt eine Wechselspannung von etwa 230 Volt. Somit können gewöhnliche Verbrauchsgeräte wie beispielsweise Lampen, Handyladegeräte, Fernseher, Computer oder Radios direkt mit dem vom Wasserrad erzeugten Strom rund um die Uhr versorgt werden.
Mit dieser Pilotanlage am Söllbach werden für die spätere Anwendung in Nepal wertvolle und wichtige Langzeitdaten gesammelt und bisher unbeantwortete Fragen analysiert wie z. B.: „Was passiert bei starker Vereisung der Anlage im Winter?“ oder „Wie groß sind die Abnutzungserscheinungen an Getriebe und Motor?“.
-
Umsetzung in Nepal – Hilfe zur Selbsthilfe
Einerseits herrscht in Nepal eine extreme Energiearmut, andererseits verfügt das Land aufgrund seiner Topografie (starkes Gefälle) über ein immenses Wasserkraftpotential, von dem derzeit technisch weniger als 2 % genutzt wird. Perfekte Standorte für mögliche Low-Tech Wasserkraftanlagen sind über das gesamte Land Nepal verteilt und können in der angedachten Größenordnung pro Anlage z. B. eine Schule oder drei Familien mit Strom versorgen.
Bei der Realisierung des Projektes werden durch die enge Zusammenarbeit mit der Universität der Hauptstadt Kathmandu, einigen Berufsschulen und Handwerksbetrieben in Nepal zusätzlich zu den technischen auch soziokulturelle, ökonomische und ökologische Fragestellungen berücksichtigt und die notwendige Ausbildung von Fachpersonal vor Ort ermöglicht.
Die Vision von Stephan Baur: Die Anlagen sollten durch den vermittelten Wissenstransfer von einheimischen Handwerkern eigenständig hergestellt, installiert und gewartet werden können. Außerdem sollen bei der Konstruktion möglichst viele Materialien und Komponenten verwendet werden, die vor Ort verfügbar sind. Durch Hilfe zur Selbsthilfe sollen so lokale Experten ausgebildet und befähigt werden, die Energiesituation in ihrem Land aus eigener Kraft zu verbessern, ohne dabei von materieller und finanzieller Unterstützung aus dem Ausland abhängig zu sein.
-
Unterstützung durch das E-Werk Tegernsee
Die Sinnhaftigkeit des Projektes hat das E-Werk Tegernsee um seinen Chef Manfred Pfeiler dazu bewogen, das Projekt der TUM während der Startphase weiter zu unterstützen. „Wir können mit einem vergleichsweise kleinen Aufwand viel erreichen“, betont Pfeiler, der mit dem E-Werk künftig auch weitere Projekte im Bereich erneuerbarer Energie unterstützen will – auch im näheren Umkreis.
Für das beispielhafte Vorhaben in Nepal verzichtet das E-Werk noch bis Herbst 2018 auf einen Teil des Erlöses aus dem „Oberland Strom Wasserkraft“-Tarif. Insgesamt wird hieraus eine Fördersumme von rund 7.000 Euro erwachsen. „Selbstverständlich ohne Mehrkosten für unsere Kunden“, erklärt Manfred Pfeiler. „Ganz sicher aber schaffen wir mit unserem gemeinsamen Ja zur Nutzung der Wasserkraft einen Mehrwert für Menschen und Umwelt.“
-
Person – Stephan Baur
Im Jahr 2004 bereiste Stephan Baur zum ersten Mal Nepal. Das Land und vor allem die Bevölkerung übten eine so große Faszination auf ihn aus, dass er ein paar Jahre später für ganze 6 Monate zurückkehrte. Während dieser Zeit arbeitete er als Lehrer und Techniker an verschiedenen sozialen Projekten mit. So entstand seine enge Verbundenheit zu den Einheimischen und ein Verständnis für die Lebensweise und Kultur. Aus seiner Begeisterung für das Land resultiert seine große Motivation einerseits vor Ort etwas zu bewegen und die Situation zu verbessern und andererseits junge Menschen in Deutschland allgemein für die Problematiken in Nepal und anderen Entwicklungsländern zu sensibilisieren. Seine beiden Jobs, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme an der Technischen Universität München und Lehrer am Gymnasium Geretsried für die Fächer Mathematik und Physik, ermöglichen es Stephan Baur viele Schüler und Studenten für seine Projekte und Visionen zu begeistern. Nebenberuflich arbeitet er noch als Autor beim Bergverlag Rother. Da ist es nicht verwunderlich, dass er auch einen Wanderführer für die Annapurna-Region in Nepal geschrieben hat.